Jahr 1945


mit den Augen von Tschechen und Deutschen

1945


Gesetz Nr. 115/1946 Slg. über die Rechtmäßigkeit der Verhandlungen im Zusammenhang mit dem Kampf um die Wiedererlangung der Freiheit der Tschechen und Slowaken:

Verhandlungen vom 30.9. 1938 - 28.10. 1945 .... die auf eine gerechte Vergeltung für die Handlungen der Besatzer oder ihrer Helfer abzielte, auch wenn sie nach den geltenden Vorschriften anderweitig strafbar waren.


Lager Hodolein: Mißhandlungen, Ermordungen

Berichter: K. S. Bericht vom 23. 1. 1951 (Olmütz)

Ich wohnte mit meiner Familie (5 Köpfe) in der Nähe von Olmütz im eigenen Hause. Anfang Mai 1945 brachte ich meine beiden Kinder im Alter von 10 und 14 Jahren ins Gebirge nach Pohorsch, um sie vor einer evtl. Schießerei bei der Besetzung zu schützen. Nur unsere 20-jähr. Tochter blieb bei uns zu Hause. Später wollte ich mit meiner Frau die Kinder wieder nachhause bringen und wir machten uns am Samstag, den 5. 5. 1945 vormittags auf den Weg. Wir erfuhren, daß die Russen nur noch einige km entfernt ständen und ein Rudel Flieger umkreiste bereits die Gegend. Die deutsche Wehrmacht befand sich auf der Flucht und in Auflösung. Wir packten unsere Sachen und wollten gegen 4 Uhr nachm. wieder zurückfahren. Aber es war bereits zu spät, russ. motorisierte Einheiten hatten uns den Rückweg abgeschnitten und in den Wäldern steckten die Partisanen. Noch am selben Abend kamen russische Patrouillen den Berg herauf ins Dorf und einige Mann kamen auch zu uns ins Haus, wo wir gleich durchsucht und verhört wurden. Ich konnte meine Familie und einige andere Personen vorläufig durch meine Sprachkenntnisse schützen. Der Bürgermeister des Ortes hatte alle Waffen zusammentragen lassen und glaubte sich dadurch gerettet. Doch er verschwand in den folgenden Tagen gerade so wie viele andere Männer, höchstwahrscheinlich verschleppt.

In den nächsten Tagen kamen immer mehr Russen in das Dorf und schließlich kamen sie mit leeren LKW angefahren und fast sämtliche Häuser der Deutschen wurden geplündert und das Vieh weggetrieben. Viele arbeitsunfähige Männer wurden verschleppt, einige auch mißhandelt oder erschossen und viele Frauen vergewaltigt. Wir durften bei schwerster Strafe unsere Wohnungen nicht verlassen. Der Wirt Hans Brandt aus Horní Bouda wurde erschossen, weil er die Soldaten nicht mehr mit zusätzlichem Alkohol versorgen konnte. Eine andere Version der Tragödie ist, dass die Soldaten ihn erschossen haben, als sie herausfanden, dass er in Stalins Stall nach einem Stier rief. Manche begingen Selbstmord. Die Familie Tannenberger (5 Personen) hängte sich auf. Die Frau und drei erwachsene Kinder wurden noch rechtzeitig abgeschnitten, der Mann war aber schon tot. Die Frau mit den Kindern kamen dann schutzsuchend zu uns, weil ihre beiden 18-20-jährigen Töchter von den Russen verfolgt wurden. Unsere Nachbarin, Frau Jahn, eine 65jährige gelähmte Frau, die ständig im Bette lag, wurde von den Russen blau geschlagen und vergewaltigt. Ihr Mann, der mit einem betrunkenen Russen in Streit geriet, wurde mißhandelt und mußte fliehen. Sie selbst erzählte mir dies weinend, als ich zufällig ins Haus kam.

Eines Nachts erbrachen einige schwer bewaffnete Russen die Türen und Fenster unserer kleinen Wohnung, bedrohten uns mit Waffen und raubten den Keller im Vorraum aus, wo die Hausfrau ihre Wertsachen versteckt hatte. Eine Frau aus Brünn, die auch bei uns schlief, wurde hinausgeschleppt und vergewaltigt und blieb nachher verschwunden. Die beiden Töchter des Tannenberger steckten unter den Betten und wurden nicht bemerkt. Ich konnte meine Angehörigen nur dadurch retten, indem wir uns als Tschechen ausgaben. Ein russischer Feldwebel hatte mir gesagt, Stalin hätte strengsten Befehl gegeben, wer einem Tschechen etwas zu Leide tut, kommt vor das Kriegsgericht, hingegen können sie mit den Deutschen tun, was sie wollen, die sind vogelfrei.

Unsere Hausfrau, Frau Kimmel, mußte aus ihrer Wohnung, in der es nachher furchtbar aussah, vor den 16-17-jähr. Rotgardisten fliehen, um nicht vergewaltigt zu werden. Ihr weiteres Schicksal blieb mir unbekannt. So erging es vielen. Meine Frau mußte in den folgenden Tagen fleißig die schmutzige Wäsche für die Russen waschen und geklaute Hühner kochen, um nicht in Ungnade zu fallen. Nach einer Woche bekamen wir vom Kommissar nach vielen Bitten eine "Propustka" und durften mit den wenigen geretteten Sachen nachhause fahren. Unser Haus war gleichfalls ausgeraubt und nur die leeren Möbel standen da. Zwei Russen waren noch bei der "Arbeit", als ich ankam. Meine ältere Tochter konnte noch rechtzeitig zu einer Verwandten flüchten, sonst wäre sie wohl kaum am Leben geblieben. Im Keller, wo wir zum Großteil unsere Sachen untergebracht hatten, herrschte ein wüstes Durcheinander von zerstörten Sachen.

Das meiste bei uns, sowie im Dorfe, wurde auf Veranlassung unseres Nachbarn Josef Dostal ausgeplündert. Dieser 45-jährige Tscheche genoß deutsche Schulbildung und hatte auch eine deutsche Frau und Kinder, die nur deutsch sprachen. Während der Hitlerzeit hatte er eine gut bezahlte Stelle bei dem deutschen Baumeister Schneider. Nach dem Umsturz entpuppte er sich plötzlich als verbissener Kommunist und Deutschenhasser. Als Mitglied des "Národní Výbor" wurde er Wohnungskommissar und besorgte als solcher die vielen Ausquartierungen und Beraubungen der Deutschen auf brutalste Art und Weise. Er hat durch sein schlechtes Treiben auch etliche Menschenleben auf dem Gewissen, darunter seinen eigenen Schwager namens Panak, der als Deutscher in Brünn im Lager war. Seine Frau, die 10 minderjährige Kinder hatte, wurde ausgesiedelt und starb angeblich in Bayern. Den 75-jährigen Vater des Lehrers Hartmann steckte dieser Dostal ins Armenhaus, wo er im folgenden Winter verhungerte und erfror. Seine 70-jährige Frau erhängte sich noch vor der Austreibung in ihrem Hause. Hartmann und J. Pallik und noch einige andere wurden in Ratibor im Lager erschlagen. Auch meine Angehörigen trieb er ins Dorflager mit dem Befehl: Nur Löffel und Decke dürft ihr mitnehmen! Bei den vielen Schandtaten, Beraubungen usw. im Dorfe hatte er wohl meist die Finger im Spiele, denn als Ortskundiger spielte er den Angeber. Der Idiot Herentin und der Einäugige Rudolf Raab wurden auf viehische Weise gemordet. Der frühere Feldwebel Kunz, ein 60-jähriger Mann, wurde auf einer Tischplatte zu Tode geprügelt; dies war übrigens eine beliebte Methode der Partisanen. Der Pensionist Zednik wurde erschossen. Viele Frauen und oft auch schulpflichtige Kinder wurden vergewaltigt. Ich ging auf den Ortsfriedhof, wo ich den alten Totengräber Steiger antraf, er erzählte mir, daß er gleich nach den ersten Tagen 12 Leichen begraben mußte. Etliche wurden gemordet und einige verübten Selbstmord, darunter der gew. Kapitän Tobias aus Nimlau.

Der Vorstand im Ortsvýbor war Oberlehrer Hecl; ein wichtiges Organ hieß Ocenásek, die anderen kannte ich nicht namentlich. Weitere Greuel aus der Umgebung, die ich erfuhr, waren:

Eine Verwandte von uns wurde durch die Russen oder Partisanen vergewaltigt und ihr vierjähriger Sohn erschossen, daraufhin sprang sie in den Brunnen und ertrank. Als dies ihre Mutter vernahm, ging sie mit der zweiten Tochter ins Wasser und der Vater zündete sein Haus an und hängte sich auf. Solcher Tragödien gab es viele. Der Gastwirt Schwarz verübte Selbstmord, der alte Lokheizer wurde erschossen. Der Bauer Ed. Sach ebenfalls. Der Beinamputierte Glier und der Beamte Franz Sauer zu Tode mißhandelt. Der Kaufmann Sander und der Beamte Ed. Sach mißhandelt und hingerichtet. Ein früherer Schulkollege namens H. Kwapil wurde schwer mißhandelt und verhungerte im Lager.

Ich meldete mich auch beim Výbor, da es hieß, daß jeder Deutsche sich melden muß, falls er seinen Besitz nicht verlieren will. Doch dies war nur eine List, um jeden zu fangen. In den folgenden Tagen klebten sie schon Plakate auf die Häuser der Deutschen mit der Aufschrift "Národní majitek". An allen Ecken wurden auch Hetzplakate geklebt und mit den schwersten Strafen gedroht, unterschrieben vom Národní Výbor, dem Bürgermeister der Stadt oder auch von Dr. Zenkl und Dr. Blaha u. a. Eines Nachts kamen einige bewaffnete Banditen vor unser Haus und warfen einen schweren Stein durchs Fenster und begehrten polternd Einlaß. Sie durchstöberten alles und wollten schließlich die Frau vergewaltigen. Nur durch meine Sprachkenntnisse und energisches Entgegentreten konnte ich dies verhüten. Nächsten Tag beschwerte ich mich beim Výbor (Hecl) und es wurde mir zum Schein Genugtuung versprochen, die aber auf dem Papier blieb. Ich meldete mich dann wieder an meinem früheren Dienstort und mußte mit dem Beamten Franz Müller und noch weiteren zehn Kollegen am Bahnhof Aufräumungsarbeiten verrichten unter Aufsicht 17-18jähriger Partisanen, die es an rohen Flüchen und Drohungen nicht fehlen ließen.

Mitte Mai 1945 hieß es, wir müßten uns beim russischen Kommando zwecks Registrierung melden. Der Sekretär der kommunistischen Partei, Slanský, ließ uns durch die Bahnpolizei dorthin bringen, aber es war das Hodoleiner Lager, wo wir landeten. Dort waren schon fast 2000 Menschen jeden Alters und Geschlechtes beisammen, die man aus den Wohnungen geholt oder auf der Eisenbahn und der Straße gefangen hatte, um sie im Lager auszuplündern und zu mißhandeln.

Gleich am Eingang auf der Wache wurden unsere Taschen geplündert bis aufs Streichholz. Dann sagte der Wachkorporal zynisch hohnlachend: "Ihr könnt euch auswählen, wollt ihr gehängt oder erschossen werden?"

Dann steckten sie uns in eine kleine Einzelzelle, wo bereits 10 Mann dichtgedrängt beisammen waren. Einige waren furchtbar mißhandelt worden und hatten schwarze, blutunterlaufene Striemen am ganzen Körper und im Gesicht. In der kleinen Zelle der Baracke konnten wir kaum nebeneinander stehen und es herrschte eine unerträgliche Hitze. Draußen am Gang suchten die Partisanen brüllend einen gewissen Weiser aus Sternberg und als sie ihn nach einer Stunde endlich fanden, wurde er schrecklich mißhandelt. Ich sah den ca 60jähr. Mann einige Tage später am Hofe. Wo ihn aber die Partisanen erblickten, wurde er immer wieder geschlagen. Dann verschwand er eines Tages und nur sein grüner Plüschhut blieb zum Andenken in unserer Baracke hängen. Gegen Abend wurden Müller und ich in der Baracke Nr. 2 untergebracht gegenüber der Hauptwache. Dort herrschte reger Verkehr, denn dort wurden die meisten erst richtig ausgeplündert und "verhört" und die Schreie der Gequälten und Mißhandelten konnte man ständig hören.

Dann wurden sie in die Baracken eingepfercht. In den Räumen der Baracken kam durchschnittlich je m2 ein Mensch, sodaß die Leute meist wie die Heringe gepreßt nebeneinander schliefen oder manchmal auch sitzend oder stehend schlafen mußten. In der Nacht wurde alles abgeschlossen und es durfte niemand heraus und dann spielten sich oft unbeschreibliche Szenen ab. Schlafen konnte man natürlich nur auf dem blanken Fußboden und die meisten hatten keine Decke, ja oft nicht einmal einen Überrock zur Verfügung. Früh gegen 4 Uhr wurde geweckt und gereinigt. Nach dem "Frühstück" wurden Arbeitskolonnen aufgestellt für schwere Aufräumungsarbeiten. Als "Verpflegung" gabs früh und abends ¼ Liter schwarzen bitteren Kaffee und eine Brotschnitte dazu, mittags eine leere Kartoffel- oder Krautsuppe und wieder 40-50 g Brot. Zusammen waren dies kaum 300-400 Kalorien täglich, bei oft schwerster körperlicher Arbeit. Hätten uns nicht manchmal Verwandte und Bekannte von draußen oder die Arbeitsgeber etwas Eßbares zugesteckt, so wäre wohl die Zahl der Toten bedeutend größer geworden. Nach 14 Tagen Aufenthalt im Lager brachen manche Menschen vor Schwäche und Hunger zusammen und wurden noch obendrauf von den Partisanen mißhandelt. Besonders in den weiter rückwärts gelegenen Baracken waren die schwersten Mißhandlungen während der Nacht üblich. Zum Prügeln verwendeten die Banditen schwere, mit Eisen und Blei beschlagene Lederpeitschen oder Stahlruten. Wenn die Mißhandelten bewußtlos und blutend zusammenbrachen, wurden sie kübelweise mit kalten Wasser übergossen.  Am nächsten Morgen wurden sie wieder zur Arbeit getrieben. Die Toten wurden irgendwo hinter denken Barracken verscharrt. Öfters fuhr auch ein Totenauto vor. Manche verübten vor unerträglichen Schmerzen Selbstmord, so auch der Seifensieder Hvabcik aus unserem Dorfe. Wenn die halbverhungerten und müde gearbeiteten Kolonnen abends von der Arbeit zurück ins Lager kamen und nicht genug stramm einmarschierten, wurde nachexerziert, bis manche zusammenbrachen, dann bekamen sie Fußtritte und Hiebe. Deutsche Schuljungen im Alter von 10-14 Jahren mußten gleichfalls exerzieren und tschechische Hetzlieder singen, sonst bekamen sie Schläge und nichts zu essen. Übliche Quälereien waren auch das Bartrupfen, Fußtritte, Faustschläge, Schuhtauschen, an-die-Wand-stellen, wobei dann der Kopf hinterrücks an die Wand geschlagen wurde usw. Beim geringsten Anlaß oder Mißfallen wurden auch viele Leute in die finsteren, naßkalten Kellerbunker gesteckt bei Wasser und Brot, wo auch viele zu Tode mißhandelt wurden. Nach ein paar Tagen Aufenthalt sahen die Betroffenen heruntergekommen wie die Räuber aus. Einige Bekannte waren auch darunter, so der Bauer Ed. Biebel und der pens. Bahnplatzmeister Matzner. Ich sah auch öfters, wie deutsche Jungen im Alter von 15-16 Jahren, aber auch Männer von der Polizei und den Partisanen zu den Bunkern geschleppt wurden, dort wurden sie schwer mißhandelt und niedergeknüppelt und in die Bunker geschleift. Viele kamen in den Bunkern ums Leben. An den tschechischen Nationalfeiertagen gab es gewöhnlich noch eine Extra-Prügelei. Unter den Polizisten waren manche bekannte Gesichter, die ich leider mit Namen nicht kannte. Nur einen gewissen Labounek kannte ich mit Namen.

Man hörte von Berufsmördern, die sich mit 50-60 Morden rühmten. "Särge wie die Berge" prophezeiten diese Unmenschen und ich glaube, daß es auch so war. Niemand war seines Lebens sicher. Der schlesische Ing. Keitke oder ähnlichen Namens aus Schweidnitz wurde ohne Urteil gehängt, weil er angeblich die Wache überfallen hatte! In Wirklichkeit hat er sich gegen die üblichen Mißhandlungen gewehrt und mußte dafür büssen. Apathisch mit zerschlagenem, schwarz angeschwollenen Kopfe schritt er zum Galgen. Die Leiche ließ man nachher tagelang im Hofe hängen und der tschechische Tuchhändler Hunka und noch ein Mann mußten vor der Leiche knien, später auch einige Deutsche. Die Deutschen mußten alle am Hofe rufen: "Wir danken unserem Führer!"

Am 29. 5. 1945 mußten alle "Internierten" am Hofe antreten, es wurden Befehle verlesen und Handwerker herausgesucht. Nachher wurden die Namen der Anwesenden vor ihren Baracken verlesen und die Aufgerufenen "eingewiesen". Ich schlief seit einigen Tagen bei meinem Kameraden Müller auf der Baracke Nr. 11 wo wir Glaserarbeiten verrichteten und mit noch einem Herrn Franz Neckar aus unserem Orte, der aber nicht mehr hier war. Bei den "Einweisungen" hagelte es von gröbsten Beschimpfungen und Hieben seitens der Banditen. Zuletzt mußten die Aufgerufenen am Gang noch Purzelbäume schießen und dabei wurde weitergedroschen. Müller kam noch glimpflich davon und ich ging um die Baracke und kroch zum Fenster hinein. Wir legten uns beide im Finstern auf den Fußboden zur Ruhe. Plötzlich kam es Müller vor, der bereits im Halbschlummer lag, er wäre von den Partisanen am Gange gerufen worden. Meine Einwendungen nützten nichts, er ging auf den Gang, um sich zu melden. Die Banditen empfingen ihn mit wüsten Schimpfworten und trieben ihn zurück und sagten, sie würden sich ihn später "ausborgen." Eine Stunde später kamen einige herein und holten ihn ab, ich wurde im Finstern nicht bemerkt. Sie schleppten ihn quer über den Gang auf das Wachzimmer, wo noch mehrere waren, rissen ihm mit Gebrüll die Kleider vom Leibe und peitschten ihn nackt zu Tode... Ich hörte schreckerstarrt das Schmerzgebrüll und die verzweifelten Hilferufe des Gefolterten und konnte ihm nicht helfen, mich hätte das gleiche Schicksal getroffen. Als das Blut zuviel spritzte, schleiften sie ihn wieder über den Gang in eine andere Kammer, um das Wachzimmer nicht zu beschmutzen. Dort vollendeten sie ihr teuflisches Werk. Der Kommandant der Baracke hieß Zugführer Vítavský und Müller hatte ihm seine Barschaft von Kc 1000.- abgeliefert und nur 850 "gutgeschrieben" erhalten, was doch ohnehin zwecklos war. Er hoffte aber, dadurch eine bessere Behandlung zu erreichen, anfangs schien es fast so. Ich möchte noch erwähnen, daß Müller kein Nazi war, sondern langjähriger Gewerkschaftler wie ich.

Einer plötzlichen Eingebung folgend, packte ich meine wenigen Sachen und sprang wieder zum Fenster hinaus und ging quer über den Hof in meine frühere Baracke 2. Dort lief ich, es war gegen 11 Uhr, gerade den Partisanen in die Hände, die wieder eine der üblichen "Durchsuchungen" bei den Gefangenen machten und dabei klauten, was ihnen gefiel. Ich bekam einige Hiebe und mußte mich mit dem Gesicht zur Wand stellen. Nach einem peinlichen Verhör, bei dem ich natürlich Ausreden gebrauchte, konnte ich schlafen gehen. Ich schlief natürlich sehr wenig und früh nach dem Wecken war mein erster Weg, nach Müller zu forschen. Da der Eingang der Baracke 11 bewacht war, kroch ich wieder zum Fenster hinein. Da lag der korpulente arme Müller nackt am Fußboden auf seiner Pelerine, vor ihm stand ein Glas Wasser. Sein Rücken von oben bis unten war eine einzige blauschwarz gefärbte blutige Wunde, aufgerissen von den Peitschenhieben. Stellenweise trat das Fleisch hervor. Trotzdem war der starke Mann noch nicht tot und atmete noch. Ich versuchte ihm Wasser einzuflößen, aber es war zwecklos, er lag scheinbar schon in den letzten Zügen. Ich kroch vorsichtig wieder hinaus und schloß mich dann einer Arbeitskolonne an. Als ich abends zurückkehrte, sagte mir Dr. Himmel, der sich in der Baracke befand, daß Müller gleich früh gestorben sei und man ihn irgendwo verscharrt hätte. Derartige bestialische Morde gab es hier unzählige.

Einige Tage arbeitete ich auf der Strecke bei Stefanau, dort wurde ich von einem tschechischen, mir unbekannten Eisenbahner angepöbelt, worauf ich von den Partisanen einige Kolbenhiebe bekam und er mir sagte: "Ich habe jeden Deutschen am liebsten 4 Meter unter der Erde!" Mitte Juni 1945 wurde ich durch die Beihilfe eines früheren tschechischen Dienstkollegen aus dem Lager abgeholt und kam zu einem tschechischen Bauern nach Nedweis auf Arbeit. Mit mir kamen noch weitere sieben bekannte Arbeiter dorthin. Beim Bauer S. bekamen wir wenigstens satt zu essen, wenn wir auch sonst weiter wie Gefangene behandelt wurden. Wir schliefen dichtgedrängt in einem kleinen Kellerraurn, wo es von Ungeziefer wimmelte. Aber auch hier waren wir mancherlei Schikanen von draußen ausgesetzt, wenn auch nicht in dem Maße wie im Lager. Der Bauer, der die deutsche Sprache gut beherrschte, erwies sich im allgemeinen als Mensch und wenn die Russen auf seinen Hof kamen, versteckte er sich selbst vor ihnen und ließ die Angehörigen verhandeln. Auch einige weitere bekannte Tschechen erwiesen sich menschlich und steckten mir manchmal etwas zu, oder gewährten Erleichterungen.

Im allgemeinen durfte aber keiner auf die Straße ohne Erlaubnis, oder die gesäuberte Wäsche von Verwandten abholen. Immer mußte dabei die Armbinde mit. dem "N" getragen werden, sonst gab es Unannehmlichkeiten. In die Stadt durften wir auch nicht, höchstens ausnahmsweise auf eigenes Risiko und da durfte man nicht auf dem Gehsteig gehen oder gar die Straßenbahn benutzen, da konnte es leicht wieder Lager und Schläge geben. Mir gelang es trotzdem ein paar Mal, in die Stadt zu kommen, weil meine Frau dort beschäftigt war. Da sah ich auch, daß frühere Mörder in den Zeitungen und auf den Plakaten öffentlich als "Helden" gepriesen wurden, so z. B. ein gewisser Jan Smurda, der in Pirk zwei deutsche Grenzbeamte erschoß und einen schwer verletzte und darauf entkam, wurde als der "nicht zu fangende Jan" gefeiert. Weiters rühmte sich ein gewisser Safar aus Nimlau, einen SA-Mann, ich glaube er hieß Svoboda oder ähnlich, in Olmütz, Romhofgasse erstochen zu haben. Dies erzählte mir ein junger Bursche namens König aus Nimlau, der auch bei uns arbeitete. Dagegen wurden die Namen vieler Deutscher öffentlich angeprangert, die vielleicht nie einem Tschechen ein Haar gekrümmt hatten; nur weil sie verschiedene Ämter bekleideten, wurden sie als Scheusale und Auswurf der Menschheit bezeichnet. Auch in Nedweis gab es verschiedene Fanatiker, die sich in der Verfolgung der Deutschen hervortaten. Besonders ein junges Bürschchen namens Walter Koralka, dessen Verwandte übrigens Deutsche waren, sowie die Lehrer Andrysek und Sohn und die Tschechen Barta, Cuka, Polonsky, Kolman u. a. taten sich in der Verfolgung wehrloser Deutscher hervor und ließen viele ins Lager bringen und verprügeln. Diese Gesellschaft markierte einmal eine kleine Brandstiftung, die sie den Deutschen in die Schuhe schob, worauf der Beinamputierte B. Hausner schwer mißhandelt wurde.

Das deutsche Mädchen Albertine Kollmann hängte sich einige Tage nach dem Umsturz auf, um den Vergewaltigungen und Mißhandlungen zu entgehen. Der Viehhändler Dostal schlug noch auf die Tote mit einer Stange wütend ein. Die Mutter der Genannten, eine 60jähr. Frau, wurde zu 10 Jahren Zuchthaus verurteilt, weil sie einem Tschechen früher eine Ohrfeige gegeben hatte. Viele deutsche Männer wurden auch hier von den Partisanen schwer mißhandelt und die Frauen vergewaltigt. Fast sämtliche Deutsche beiderlei Geschlechtes ab 10. Lebensjahr wurden wie üblich ins Lager geschleppt. Der 60jährige Lehrer Coufal war nach einer Woche im Lager zu Tode mißhandelt worden. Der örtliche Národní Výbor, dessen Vorstand der ältere Lehrer Andrysek war, ließ die Landwirte Kleiber, Müller und Skacel ins Gefängnis bringen, wo sie dann hingerichtet wurden. Sie hatten angeblich einen Tschechen während der Hitlerzeit ins Lager bringen lassen. Die berüchtigten "Volksrichter" in unserer Gegend hießen Matura und Svoboda.

Zu erwähnen wäre auch die unchristliche Tätigkeit eines gewissen Teiles des tschechischen Klerus, der den Löwenanteil für die Austreibung und Ausrottung der Deutschen aufgrund seiner Tätigkeit während des Krieges für sich beanspruchte.

Unser Ortspfarrer verbot den Deutschen den Kirchenbesuch, nahm keine Einsegnungen der Toten mehr vor, die irgendwo in einer Ecke verscharrt wurden. usw.


Giebauer Heimatbote 26. z roku 1975, Seite 131, von Josef Schwarz 

8. Mai 1945 in Pohorsch

Übergabetag des Deutschen Reiches 8.5. 1945 brachte neue Trauer und andere Tote aus den Händen russischer Soldaten. Diesmal wurde die Familie meines Nachbarn getroffen. Mader Familie. Aufgrund der besonderen Umstände dieses Falles berichte ich an dem Tag, an dem ich ihn erlebt habe, ausführlicher.

Am Morgen wurde mir befohlen, dafür zu sorgen, dass alle Funkgeräte in Herrn Konetschens Haus (Nr. 43) abgeholt wurden, in dem sich der Kommissar befand.

Am Nachmittag kam ein Soldat zu unserem Haus (Nr. 45), der für die Unterbringung zuständig war, und inspizierte die Zimmer. Dann sahen wir die Nummer 25 an der Wand des Hauses. Wir dachten, dass so viele russische Soldaten in unser Haus gebracht werden würden, und beschlossen, es zu verlassen. Wir zogen in das Haus meiner Schwester oben im Dorf. Dies war bereits mit Flüchtlingen aus Skrochowitz bei Opava in Schlesien überfüllt. Wir haben dort auch zwei russische Offiziere gefunden. Gegen halb fünf Uhr nachts kam mein Schwager und erzählte mir, dass einer der Russen draußen stand und nach mir fragte. Ich ging raus und da stand einer der russischen Offiziere, die gut Deutsch konnten und mir sagten, dass er ein Kommissar sei und ich mit ihm zur Schule gehen müsse. Ich ging mit ihm und bemerkte, dass ein anderer Mann bei uns war. Als sich meine Augen an die Dunkelheit gewöhnten, stellte ich fest, dass der Mann mein Nachbar Mader war. Ich fragte ihn, ob er auch zur Schule gehen müsse. Stattdessen zeigte er es mir, indem er seine Arme um meinen Hals legte. In der Schule gab Kommissar Madera die wartenden Soldaten hier. Er nahm mich mit ins Haus und erklärte mir, dass das Bataillonshauptquartier morgen eintreffen würde und dass er hier in der Schule zu Mittag essen möchte. Deshalb muss ich darauf achten, dass die Schule ordentlich war und alles in einwandfreiem Zustand war. Ich ging zurück zum Haus meiner Schwester und bat die Frauen aus Skrochowitz, meinen Auftrag zu erfüllen. Diese sagten mir jedoch, ich solle nur Einheimische mitnehmen. Also ging ich um das Nebenhaus herum und in kurzer Zeit gingen Frau Hilda Gundel, meine Schwiegermutter Marie Dörrich und die Mutter meiner Neffen Marie Matzner mit. Die Schulmöbel wurden von den Russen aus den Fenstern geworfen, der Boden der Klassenzimmer war mit zerrissenen Papieren und Büchern bedeckt. Wenn alles aufgeräumt war, konnten die Frauen in ihre Häuser zurückkehren. Mir wurde befohlen, in den Lastwagen zu steigen. Ich fragte mich, ob ich gefangen genommen werden würde, wenn wir vor dem Gasthaus Christi anhielten. Ein großer Küchenherd wurde durch ein großes Schrankfenster auf den Lastwagen geladen. Als der Herd in die Schule gestellt wurde, erzählte mir der Kommissar, dass Deutschland sich heute ergeben hatte und begann mir zu erklären, wie große Verluste der Krieg gefordert hatte, was dumme Leute tun konnten. Ich sollte darauf vorbereitet sein, dass die Frauen die Kartoffelschalen mitbringen. Das ist aber nicht passiert. Als wir heute Morgen in unserem Haus ankamen, stellten wir fest, dass nur ein Offizier der Roten Armee hier war. Jetzt habe ich erfahren, was mit meinem Nachbarn passiert ist. Tagsüber schrien russische Soldaten in den Häusern und Höfen und feuerten endgültig, was nachts zunahm. Unbehaglich über das Schicksal ihres Vaters ging die Familie gegen Mitternacht in den Garten und stieß auf die Leiche ihres Vaters. In Panik rannten sie zum Waldrand, wo ein Bach floss und einen kleinen Teich bildete, in dem sie ihr Leben beenden wollten. Sie zitterten immer noch im letzten Moment und beschlossen zu leben. Also versteckten sie sich bis zum Morgen hinter einem Dornbusch auf dem Feld. Tochter Marie dachte tagsüber über Selbstmord nach und verschwand. Sie fanden sie im Pool, ihre zweijährige Tochter im Arm, beide tot im Wasser. Mader wurde in den Rücken geschossen und seine Tochter Marie mit der kleinen Ingrid wurde mehrere Tage lang im Marsch gehalten, bevor ihre Beerdigung erlaubt wurde. Nur so viele Menschen, wie nötig waren, um die Toten zu begraben, konnten an der Beerdigung teilnehmen.

Was war die Grundlage und der Grund für Maders Hinrichtung?

Mader war als ruhiger Mann bekannt. Er war Mitglied des Gemeinderats und Kommandeur der Feuerwehr im Dorf, hatte keine Funktion in der NSDAP und respektierte im Allgemeinen die Bevölkerung.

Alle Fragen bleiben jedoch unbeantwortet.

Josef Schwarz


Am 16. Mai gegen elf Uhr nachts wurde Johennes Kummer vom Vorsitzenden der örtlichen Verwaltungskommission und Polizeichef Alois Todt erschossen. Laut Aussage ging Alois Todt, um sicherzustellen, dass sich keine SS-Mitglieder im Haus Nr. 44 versteckten. Nachdem Johennes Kummer an das Fenster des Hauses geklopft hatte, kam er angeblich aus der Tür und erwürgte Todd. Er musste ihn dann zur Selbstverteidigung erschießen.


In der Nähe des Dorfes Jívová wurde Johannes Zink, ein Wildhüter, der sich in einer Waldhütte versteckt hatte, am 25. Mai von Alois Todt erschossen. Alois Todt umgab den Schuppen mit einer Einheit der Nationalgarde und forderte Zink wiederholt auf, herauszukommen. In dem Gebäude versteckte sich Zink mit seiner Frau und seiner Tochter, die die Schießerei überlebten und später umgesiedelt wurden.